Hohe Arbeitszeit an Berufsschulen

Eine repräsentative Studie in Baden-Württemberg analysiert Gründe für die hohe Arbeitsbelastung von Berufsschullehrkräften.
Ein Berufsschullehrer sitzt zuhause am Schreibtisch und stützt den Kopf auf die Hände.
Berufsschullehrkräfte arbeiten oft auch abends und am Wochenende von zuhause aus. © iStock / ridvan_celik

Die Studie „Arbeitszeit, Arbeitsbelastung und Resilienz von Lehrkräften an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg (AARL-BS)“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Berufsschullehrerverband in Baden-Württemberg e.V. (BLV) und der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim. Das Projekt verfolgt das Ziel, repräsentative Daten zur Arbeitszeit und der generellen Arbeitssituation von Lehrkräften in der beruflichen Bildung in Baden-Württemberg zu gewinnen. Aus den Ergebnissen können Empfehlungen für die Arbeitsgestaltung und die Aus- und Weiterbildung von Berufsschullehrkräften abgeleitet werden.

Aufbau der Studie

Im Jahr 2022 wurden parallel zwei Erhebungen unter Berufsschullehrkräften durchgeführt. Ein Teil war eine breit angelegte, repräsentative Fragebogenstudie, an der sich über tausend Vollzeitlehrkräfte beteiligten und welche die Gesamtlage zu Arbeitszeit, Arbeitsbelastung und Resilienz erfassen sollte. Daneben wurde eine vertiefende app-basierte Tagebuchstudie vorgenommen, die genauer auf die täglichen Arbeitszeiten und Tätigkeiten sowie das damit verbundene Stresspotential einging. Die 145 in diesen Teil einbezogenen Lehrkräfte sollten tagebuchartig und möglichst lückenlos ihre Arbeitstätigkeiten festhalten und dabei Angaben zum empfundenen Stresslevel etc. machen.

Auswertung der Studie

Die erste Auswertung der Studie im Herbst 2023 konzentrierte sich auf die durchschnittliche Wochen- und Jahresarbeitszeit der Berufsschullehrkräfte und unterschied hauptsächlich danach, ob die Lehrpersonen eine Leitungsfunktion innehatten oder nicht. Die Befunde aus der ersten Expertise zeigen, dass Lehrkräfte, die an einer beruflichen Schule in Baden-Württemberg in Vollzeit arbeiten und keine Leitungsfunktion innehaben, verglichen mit der Soll-Jahresarbeit von 1.804 Stunden jährlich rund 125 Stunden bzw. rund 7 Prozent mehr arbeiten.
Die kürzlich veröffentlichte zweite Auswertung untersuchte zusätzlich, ob sich die Arbeitszeit für Männer und Frauen unterscheidet, und schlüsselte nach Alter und verschiedenen Arbeitsorten auf. Die Forschenden wollten herausfinden, wie die unterschiedlichen Tätigkeiten anteilig verteilt sind und wie viel die Lehrkräfte außerhalb der Arbeitszeit an Abenden und Wochenenden sowie in den Ferien arbeiten.

Ergebnisse der zweiten Auswertung

Hohe Arbeitszeiten

Die zweite Auswertung zeigt zum Beispiel, dass viele Lehrkräfte der beruflichen Bildung auch an Abenden und Wochenenden arbeiten. Diejenigen ohne Leitungsfunktion wenden mehr Zeit in diesen Randzeiten auf. Vor allem die unterrichtsnahen Tätigkeiten wie Vor- und Nachbereitung und Korrigieren finden abends und am Wochenende statt. Aber auch sogenannte unterrichtsferne Tätigkeiten, wie zum Beispiel verwaltende Aufgaben, Arbeit in Gremien und Teams, Fortbildungen und die Interaktion mit Lernenden außerhalb des Unterrichts, werden teilweise außerhalb er Schule absolviert.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Eine weitere Erkenntnis der Auswertung war, dass es bei Berufsschullehrkräften Unterschiede in der Arbeitszeit von Männern und Frauen gibt. Weibliche Vollzeitlehrkräfte ohne Leitungsfunktion haben eine höhere mittlere Wochenarbeitszeit als Männer (ca. 47 versus ca. 45 Stunden pro Woche). Bei den Lehrkräften mit Leitungsfunktion ist kein Unterschied zwischen Männern und Frauen erkennbar (jeweils ca. 51 Stunden). 
In vertiefenden Analysen der Studie soll nun geprüft werden, ob die zeitliche Mehrbelastung der Frauen an den besonderen Anforderungen in anderen Lebensbereichen, zum Beispiel Care-Arbeit, liegt, denen sie möglicherweise ausgesetzt sind. In der Fragebogenstudie wurden entsprechende Informationen bereits abgefragt.

Altersabhängige Unterschiede

Die durchschnittliche Arbeitszeit von Berufsschullehrkräften ohne Leitungsfunktion sinkt mit steigendem Alter; jüngere Lehrkräfte leisten in höherem Maße Mehrarbeit. Während Lehrkräfte über 55 Jahre durchschnittlich 44,51 Stunden pro Woche arbeiten, sind es bei den Lehrkräften unter 35 Jahren 48,84 Stunden pro Woche. Durch weitere Datenanalysen soll geprüft werden, welche Gründe für die höhere Arbeitszeit junger Lehrkräfte vorliegen. Möglicherweise gibt es Verbindungen zu ihrer Lebenssituation außerhalb der Arbeit, zum Beispiel im Familienleben, die das Belastungsrisiko erhöhen. Bei Lehrkräften mit Leitungsfunktion gibt es keine signifikant unterschiedlichen Arbeitszeiten zwischen den Altersgruppen.

Aufteilung der Tätigkeiten

Berufsschullehrkräfte ohne Leitungsfunktion verbringen gute 70 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Unterrichten und unterrichtsnahen Tätigkeiten wie Vor- und Nachbereitung von Unterrichts und Leistungserhebung. Damit entfallen fast 30 Prozent der Arbeitszeit auf unterrichtsferne Tätigkeiten wie verwaltende Aufgaben, Interaktionen mit Kollegen und Kolleginnen sowie Fortbildungen. Die Aufteilung der Arbeitszeit stellt sich bei Lehrkräften mit Leitungsfunktion erwartungsgemäß anders dar. Sie verbringen nur knapp ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit Unterrichten und über drei Viertel mit unterrichtsfernen Tätigkeiten.

Unterschiede beim Arbeitsort

Lehrkräfte der beruflichen Bildung ohne Leitungsfunktion arbeiten etwa zwei Drittel ihrer Zeit in der Schule und ein Drittel zuhause. Lehrkräfte mit Leitungsfunktion arbeiten dagegen hauptsächlich in der Schule. Andere Dienstorte fallen bei beiden Gruppen kaum ins Gewicht.

Weitere Auswertungen der Studie sind geplant

Dieser zweiten Auswertung der Studie werden weitere Expertisen folgen. Das Projekt „Arbeitszeit, Arbeitsbelastung und Resilienz von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen in Baden-Württemberg (AARL-BS)“ wird sich unter anderem mit der Untersuchung von Auslösern und dem Erleben von Stress bei Berufsschullehrkräften beschäftigen und dabei auch persönliche und situationsbedingte Einflüsse berücksichtigen. Außerdem sind Expertisen zur Widerstandsfähigkeit (Resilienz), den dafür relevanten Schutz- und Risikofaktoren und den Umgang mit Stress geplant. Im Mai dieses Jahres wird zudem eine Wiederholungsmessung durchgeführt, um stabile Befunde zu gewährleisten und um eine mögliche pandemiebedingte Verschiebung der Ergebnisse in der ersten Erhebung 2022 zu überprüfen.

Die zweite Auswertung der Studie zur Arbeitsbelastung von Berufsschullehrkräften können Sie auf der Website der Universität Mannheim einsehen. 
 

Autor
HubbS-Redaktion
aktualisiert
aktualisiert: 22.04.2024